Bauliche Maßnahmen
Neben Einzelmaßnahmen an Gebäuden bilden Maßnahmen im öffentlichen Raum Kernprojekte für die Aufwertung der gesamten Altstadt als geschäftliches, gesellschaftliches und kulturelles Zentrum der Stadt. Die Stadt Memmingen verfolgt das Ziel, bestehende Nutzungen zu stärken, Stadträume für alle zu schaffen sowie neue Entwicklungsimpulse zu setzen. Die hier aufgezeigten Maßnahmen basieren auch auf den neuen Ergebnissen der Vorbereitenden Untersuchungen für die Altstadt. Sie nutzen die Qualitäten der Memminger Altstadt und beheben gleichzeitig die aufgezeigten städtebaulichen Missstände.
Neugestaltung Weinmarkt
Neuer Weinmarkt – warum?
Ein Ort für alle – der Weinmarkt soll bis 2025 zu einem noch lebendigeren Ort in der Stadtmitte werden. Mehr Raum zum Verweilen, mehr Stellplätze für Fahrräder und mehr Grün. Das hat der Stadtrat im Dezember 2020 beschlossen. In der Folge wird der Platz für den individuellen Autoverkehr gesperrt, Busse und Taxis sowie Radfahrerinnen und Radfahrer dürfen den Weinmarkt weiterhin befahren.
Auch die Geschichte der Kramerzunft – als Ort der Demokratie – sollte die Mitarbeitenden der Planungsbüros inspirieren, das Thema Freiheit auf dem Platz sichtbar zu machen. Insbesondere im Jubiläumsjahr 2025 wird der Weinmarkt eine zentrale Rolle als Veranstaltungsort spielen.
Das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr bezuschusst den Wettbewerb aus dem Förderungsprogramm ›Innenstädte beleben‹. Mit dieser Förderung sollen bayerische Innenstädte gestärkt und die Attraktivität der Stadtzentren gesteigert werden, um der pandemiebedingten Abnahme an Besuchenden entgegenzuwirken.
Vom Entwurf zum neuen Weinmarkt

Der Wettbewerb wurde als sogenannte Mehrfachbeauftragung durchgeführt. Das bedeutet, dass die Stadt Memmingen drei Planungsbüros gleichzeitig beauftragt hat, Ideen und Entwürfe für die neue Gestaltung des Weinmarktes zu entwickeln. Dafür bekamen die Planerinnen und Planer im Dezember 2021 dieselben Unterlagen, hatten dann rund zwei Monate Zeit und mussten ihre Ergebnisse Ende Februar bei der Stadt abgeben. Alle Büros bekamen für ihre Arbeit die gleiche Bezahlung, jedoch wird nur der Siegerentwurf umgesetzt.
Lebendiges Zentrum für alle
Eine Jury aus Planenden und Fachleuten hat die Entwürfe und Ideen der drei Büros bewertet. Dazu zählen zum Beispiel der Oberbürgermeister, die Altstadtreferentin, der leitende Baudirektor und verschiedene Mitglieder des Gestaltungsbeirates.
Ein wichtiges Beurteilungskriterium war die Aufenthaltsqualität und damit einhergehend funktionale und sichere Sitz- und Spielbereiche. Junge Familien, Seniorinnen und Senioren und Menschen mit Behinderungen sollen diesen Bereich gleichermaßen gut nutzen können – ein Platz für alle eben. Zudem war neben der Einbindung der Ortshistorie in das Planungsverfahren auch die Wertigkeit der eingesetzten Materialien entscheidend.
Das Planungskonzept vom Büro grabner, huber, lipp (ghl) landschaftsarchitekten und Stadtplaner aus Freising wurde von der Jury einstimmig als Siegenentwurf beschlossen. Dieses Büro darf nun weiterplanen und wird mit der Umsetzung betraut.
Die Ergebnisse der Mehrfachbeauftragung: Beurteilung des Preisgerichts
"Stadtgeschichte und Platzatmosphäre am Weinmarkt"
Der Entwurf beinhaltet im Wesentlichen zwei Hauptelemente:
Auf dem Weinmarkt entsteht vor der Kramerzunft durch ein Bürgerforum sowie ein Wasserspiel das neue Zentrum des Platzes. Hier ein neuer Treffpunkt und ein Ort des Dialogs für Jung und Alt, der zu einem aktiven Diskurs einladen soll.
Einen weiteren Schwerpunkt des Entwurfs stellen die lockeren Baumsetzungen auf dem gesamten Platzbereich dar.
Durch die neuen Baumstandorte, die teilweise mit neuen Sitzmöglichkeiten kombiniert werden, wird der im Bestand sehr steinerne Platz in seiner Aufenthaltsqualität deutlich aufgewertet. Zum einen entstehen schattige Orte, die in den Sommermonaten den Aufenthalt auf den Weinmarkt deutlich attraktiveren und zum anderen wird das Mikroklima positiv beeinflusst. Darüber hinaus sieht das Preisgericht durch die neuen Bäume auch das momentan sehr steinerne optische Erscheinungsbild deutlich aufgewertet. Es ist aus Sicht des Preisgerichts zwar durchaus fraglich, ob z.B. vor der Giebelfassade der Kramerzunft zwei neue Bäume eingeplant werden sollten und somit die Fassade verstellen. Das Konzept der relativ freien Baumanordnungen auf dem Weinmarkt scheint diesbezüglich aber flexibel, sodass die ein oder andere wünschenswerte Anpassung der Baumstandorte das Konzept insgesamt nicht negativ beeinflussen würde.
Den westlichen Abschluss des Weinmarktes bildet das neue Bürgerforum, das mit seiner Ausrichtung Bezug zu dem Freiheitsbrunnen im Osten des Platzes aufnimmt. Die geplante Ausführung und Stellung des Bürgerforums, eine Art dreidimensionales Sitzelement sowie die Praxistauglichkeit wurden im Preisgericht kontrovers diskutiert. Einigkeit bestand aber in der Auffassung, dass ein Ort des Dialogs und gleichzeitig ein Treffpunkt für alle Bürgerinnen und Bürger in Verbindung mit dem direkt angrenzenden Wasserspiel an dieser Stelle eine große Bereicherung darstellen würde.
Trotz der zahlreichen neuen Bäume bleiben alle temporären Nutzungen wie Weinfest, Wallenstein, Märkte etc. auf dem Platz möglich.
Insgesamt wird mit der Planung der Weinmarkt als zentrale Mitte der Altstadt deutlich aufgewertet. Die Arbeit stellt einen sehr guten, zeitgemäßen Beitrag zur gestellten Entwurfsaufgabe dar.
"Die Kramerzunft – ein Ort der Demokratie und Menschenrechte"
Die Arbeit beschäftigt sich primär mit der „Kramerzunft“. Der Weinmarkt wird im Sinne des Bestandes ergänzt. Er bleibt als Platz wie heute bestehen. Nebst den Maßnahmen rund um die „Kramerzunft“ sind zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität auf dem Platz lediglich transportable Bäume und spontane Möblierungen angedacht.
Der konsequente Fokus auf die unmittelbare Umgebung der „Kramerzunft“ ist Stärke und Schwäche des Konzeptes. Die Schwäche liegt darin, dass für den Weinmarkt als Platzraum kaum interessante neue Erkenntnisse aufgezeigt sind. Allein transportable Bäume und einzelne Stühle sind im selbst angesprochenen historisch/politischen Kontext zu unverbindlich.
Interessanter sind die Vorschläge im unmittelbaren Umfeld der „Kramerzunft“. Ein spezieller Bodenbelag, der sich von Weinmarkt bis zum Rossmarkt hinzieht, schafft ein eigenes Umfeld für das wichtige historische Gebäude. Zusammen mit diesem Bodenbelag wird als Ersatz der heutigen Platanengruppe ein Kunstwerk auf dem Platz vorgeschlagen. Ein Werk, das die zwölf Artikel der oberschwäbischen Bauern thematisiert. Es soll zur Reflexion und Besinnung, aber auch dem spielerischen Umgang mit der Geschichte motivieren.
Gleichwohl wird es zum Mahnmal. Zusammen mit dem Bodenbelag wird die „Kramerzunft“ aus seinem Umfeld gelöst und vereinzelt. Damit wird dem historischen Gebäude kein Gefallen getan, weil die Gefahr besteht, dass es aus dem Kontext fällt, wo es doch gerade dazu gehören will. Trotz der vertieften Auseinandersetzung mit der historischen Materie können die vorgeschlagenen Maßnahmen in der Gesamtschau nicht überzeugen.
"Von der Verkehrsachse zur Agora –Vom Parkplatz zum Pop-Up-Parlament"
Die Verfasser orientieren sich stark am Bestand, entwickeln ihn weiter und führen der Fläche neue Funktionen zu.
Die ressourcenschonende, minimale Veränderung der Natursteinbeläge ist zu würdigen. Die neue Agora als Ort der Begegnung und des Austausches mit seiner variabel gruppierbaren Bestuhlung ermöglicht die flexible Nutzung ohne Konsumzwang. Die verrückbaren Sitze ermöglichen der Stadtgesellschaft immer neue Gruppierungen – Demokratie wird erlebbar. Je nach Bedarf räumt der Platz aber auch seine Möblierung für den Aufbau von Tribüne oder Marktständen.
Inwieweit die innovative Bestuhlungslösung mit integrierter Regenwasserleitung dem Vandalismus und den Wartungserfordernissen gerecht wird, wird kontrovers diskutiert. Dass aber selbst bei einer starren Bestuhlung die Idee tragen kann, wird nicht bezweifelt.
Im westlichen Teil wird das vorhandene Platanenkaree erweitert und die Belagsfläche entsiegelt. Die Zuordnung des Kinderspiels in diesem beschatteten Bereich ist folgerichtig in der Ausdifferenzierung aber noch nicht zu erkennen. Die Abgrenzung dieses Bereichs nach Westen mit Fahrradständern im Vorbereich der Kramerzunft ist jedoch nicht denkbar.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass diese Planung Teilflächen innerhalb eines zusammengehörigen Raumgefüges bildet – diese Haltung wird kritisch beurteilt. Auch der Versuch von der Kramerzunft, eine spürbare Verbindung mit dem Platz einzugehen, wird vermisst. Zudem wird ohne eine zusätzliche Beschattung im Sommer der Aufenthalt auf der Agora an heißen Tagen nur in den Morgen- und Abendstunden möglich sein.
Somit ist die Arbeit ein wertvoller und ressourcenschonender Beitrag zur Diskussion, vermag jedoch in der Gesamtheit nicht zu überzeugen.